Aufsichtsräte, Vorstände und Geschäftsführer von Gesellschaften leben gefährlich: Sie werden zunehmend bedroht durch strengere Verhaltensvorschriften, ein sich verschärfendes Haftungsrecht und letztlich durch die steigende Tendenz von Aktionären, Schadensersatz einzuklagen. Auch D&O-Haftpflichtversicherungen decken erhebliche Teile dieser Risiken nicht ab. Organmitglieder haften dann unbegrenzt mit ihrem persönlichen Vermögen. Darüber hinaus droht ihnen in einigen Fällen auch eine strafrechtliche Verantwortung.
Gründe für die Verschärfung der Lage
Noch vor einigen Jahren konnten Organmitglieder ziemlich sicher sein, für ihr Fehlverhalten nicht zur Verantwortung gezogen zu werden. Dies hat sich aus drei Gründen geändert.
Erstens: Pflicht zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen
Durch das ARAG/Garmenbeck-Urteil des Bundesgerichtshofes 1997 hat der Druck zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zugenommen. In ihm wurde klargestellt, daß der Aufsichtsrat verpflichtet ist, Schadensersatzansprüche gegenüber Vorstandsmitgliedern zu prüfen und durchzusetzen. Das hat einschneidende Konsequenzen für Mitglieder beider Organe:
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Aufsichtsratsmitglieder müssen fürchten, daß sie bei Untätigkeit später selbst auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.
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Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer müssen deshalb damit rechnen, daß der Aufsichtsrat ihren Fehlern schon aus Selbstschutz intensiv nachgeht und sie zur Verantwortung zieht.
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Der Aufsichtsrat ist nach der Rechtsprechung auch verpflichtet, präventive Maßnahmen gegen den Vorstand zu ergreifen, wenn Fehlverhalten zu befürchten ist. Bereits vage Gerüchte werden hierfür als ausreichender Anlaß angesehen.
Zweitens: Pflicht zur detaillierten Veröffentlichung von Risiken
Seit 1998 müssen Vorstände von Aktiengesellschaften nicht nur für eine Früherkennung von Risiken sorgen. Weitgehend unbeachtet bleibt die zugleich eingeführte Verpflichtung im Lagebericht einer Gesellschaft Risiken der künftigen Entwicklung detailliert zu schildern.
Ein vorsätzlicher Verstoß hiergegen ist eine Straftat, die mit bis zu drei Jahren Haft geahndet werden kann. Daneben haften Geschäftsleiter und Aufsichtsratsmitglieder persönlich allen Gesellschaftern und Gläubigern, denen daraus ein Schaden entstanden ist.
Drittens: Öffentlichkeit und Aktionäre in Lauerstellung
Der Zusammenbruch von Enron nach Bilanzmanipulationen, die gerade noch verhinderte Pleite der Bankgesellschaft Berlin, die Anklageerhebung im Fall Mannesmann: In der deutschen Öffentlichkeit entsteht der Eindruck, daß Ahnungslosigkeit oder gar böser Wille in Chefetagen auch renommierter Unternehmen häufig anzutreffen sind. Seit Fällen wie Comroad oder Flowtex gelten auch Testate großer Wirtschaftsprüfungsgesellschaften nicht mehr als Garant für Ordnungsmäßigkeit.
Vor dem Hintergrund dramatisch gefallener Aktienkursen läßt diese Stimmung so manchen Aktionär die Möglichkeit in Betracht ziehen, sich bei Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern seiner AG schadlos zu halten. Dabei kann er auf die Hilfe einer Reihe von Anwaltskanzleien zählen, die sich darauf spezialisiert haben, Ansprüche gegen Organmitglieder durchzusetzen.
Unzureichende Absicherungen
Kritische Situationen werden von Organmitgliedern häufig auf die leichte Schulter genommen, weil sie glauben, daß die eigentliche Verantwortung nicht sie, sondern andere trifft. Oder sie meinen, daß im schlimmsten Fall ihre D&O-Haftpflichtversicherung für einen Schaden aufkommen wird. Doch das ist oft ein Trugschluß.
Ressortverteilung irrelevant Selbst ein "Nein" bei Abstimmung hilft nicht
Die Haftung von Geschäftsleitern besteht in vielen Fällen ohne Rücksicht auf eine Ressortzuständigkeit. Selbst eine Überstimmung des einzelnen Gremienmitgliedes durch seine Kollegen führt zu keiner Entlastung. In diesem Fall muß das überstimmte Mitglied alles in seiner Macht stehende unternehmen, um eine Tatbestandsverwirklichung zu verhindern bis hin zur Niederlegung seines Amtes. Das gleiche gilt für Aufsichtsratsmitglieder.
Wirtschaftsprüfertestat entlastet in vielen Fällen nicht
Auch das Testat eines Abschlußprüfers bedeutet oftmals keine Entlastung. Bei der Lageberichterstattung zum Beispiel kann bereits die Übergabe eines mangelhaften Berichtes durch den Geschäftsleiter an den Prüfer strafbar sein. Für Aufsichtsräte gilt: Auch bei einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk des Wirtschaftsprüfers hat stets eine tiefgehende eigene Überprüfung des Lageberichts zu erfolgen. Damit sind Aufsichtsratsmitglieder bei der Lageberichtsprüfung erheblich stärker in der Pflicht als bei der Überprüfung des Jahresabschlusses.
D&O-Haftpflichtversicherung bietet oftmals keinen Schutz
Bei D&O-Haftpflichtversicherungen sind deren Risikoausschlüsse zu beachten. Viele Verträge schließen bereits sogenannte wissentliche Pflichtverletzungen aus. Damit steht zum Beispiel ein Aufsichtsratsmitglied völlig ohne Schutz da, wenn es bei Anzeichen für Fehlverhalten des Vorstandes nichts unternimmt.
In keinem Fall tritt die Versicherung für vorsätzliche Pflichtverletzungen ein. Und die Rechtsprechung nimmt Vorsatz schneller an, als mancher juristische Laie denkt. Aber auch, wenn die Versicherung eintritt, bietet sie nur Schutz bis zur vereinbarten Versicherungssumme. Die Haftung des Organmitgliedes ist dagegen stets unbeschränkt.
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